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DekonstruktionSystemtheorie / Radikaler Konstruktivismus



Siehe auch: Dissemination (D)

Kontingenz, doppelte (ST)

Der Kontingenzbegriff schließt an den Begriff des Sinns als Differenz von Aktualität und Potenzialität an und bezeichnet den Umstand, dass alles immer auch anders möglich wäre: nichts ist notwendig, nichts ist ausgeschlossen. Luhmann nimmt diese Beobachtung zum Ausgangspunkt seiner These von der Unwahrscheinlichkeit der Kommunikation und fundiert mit ihr die Frage nach der Möglichkeit sozialer Ordnung.

Da jede soziale Grundkonstellation die Position von Alter und Ego voraussetzt, basieren soziale Systeme auf der doppelten Kontingenz sozialer AkteurInnen, die aufgrund ihrer wechselseitigen operationalen Geschlossenheit füreinander intransparent sind. Beide könnten immer auch anders handeln und wissen gleichzeitig um diese Unsicherheit. Alle drei Selektionen der Kommunikation, Mitteilung, Information und Verstehen, handhaben die basale Kontingenz, die Ego und Alter füreinander darstellen. Eine Mitteilung könnte so oder auch anders gemacht werden, dieser oder jener Sachverhalt ausgewählt und die mitgeteilte Information zur Prämisse eigenen Handelns gemacht werden oder nicht.

Doppelte Kontingenz stattet die basale Differenz von System/Umwelt mit rekursiver Reflexivität aus. Der Rekurs auf die Erwartung möglicher Reaktionsweisen führt zur Ausbildung von wechselseitigen Erwartungserwartungen bzw. Konventionen. Diese sind soziale Strukturen, welche die Zuschreibungen und Prozessierung von Kommunikationsangeboten wahrscheinlich machen und im Gegensatz zu flüchtigen Kommunikationsereignissen lernfähig sind.

--> Die Geschlechterdifferenz erscheint als Selektionsmechanismus, der die doppelte Kontingenz sozialer AkteurInnen in gesellschaftlichen Strukturen kanalisiert. Geschlechterdifferenzen basieren auf Erwartungserwartungen, welche die Zuschreibung geschlechtstypisierter Selektionen wie kognitiver Schemata und sybolischer Ordnungen rekursiv anwenden. Psychen werden auf Geschlechtscharaktere reduziert, soziale Handlungszusammenhänge nach Geschlechterrollen organisiert. Der Begriff der doppelten Kontingenz ist auch an das ethnomethodologische Konzept des Doing Gender anschließbar, welches die interaktive Darstellung sozialer Wirklichkeiten beschreibt.

© Sibylle Moser & proddiff (Stand: 10.9.2003)

Siehe auch: Kommunikation (D); Struktur (D)

Literaturhinweise
•  Lewis, David K. (1975/69): Konventionen. Eine sprachphilosophische Abhandlung.
•  Luhmann, Niklas (1984): Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie [kommentiert (ST)].
•  Pasero, Ursula (1994): "Geschlechterforschung revisited: konstruktivistische und systemtheoretische Perspektiven [kommentiert (ST)]".
•  Villa, Paula-Irene (2000): Sexy Bodies. Eine soziologische Reise durch den Geschlechtskörper.
•  West, Candance / Zimmermann, Don H. (1987): "Doing Gender".

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