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DekonstruktionSystemtheorie / Radikaler Konstruktivismus



Siehe auch: Dissemination (D); Différance (D)

Semantik (ST)

Im Kontext von Luhmanns Sinn-Begriff erscheint Semantik als Themen- bzw. Formenvorrat einer Gesellschaft. Semantiken ermöglichen es, kommunikative Selektionen zu verbinden und zu sinnhaften Formen zu typisieren. Semantiken elaborieren die maßgeblichen Unterscheidungen einer Gesellschaft und beziehen sich nicht wie in Logik und Linguistik auf die ahistorische Beziehung von Zeichen und Referenten. Ihre Typisierungsleistung ändert sich mit der medialen Evolution der Gesellschaft.

Im Rahmen funktional differenzierter Gesellschaften wird der Sinn einzelner Funktionssysteme durch symbolisch generalisierte Kommunikationsmedien wie Macht, Geld und Liebe selektiert; die Entwicklung von Medientechnologien führt zur Ausdifferenzierung der gesellschaftlichen Semantiken. Semantik und Gesellschaftsstruktur verlaufen jedoch nicht synchron. Meist hinkt die Selbstbeschreibung der Gesellschaft ihrer strukturellen Entwicklung nach.

Luhmanns Begriff der Semantik weist Parallelen zu Schmidts Interpretation von Kultur als "Programm zur Thematisierung des Wirklichkeitsmodells einer Gesellschaft" auf, das sich als "Programm für Verhalten", aus basalen Eckwerten bzw. Basisdichotomien konstituiert. Die Semantiken einer Gesellschaft stellen aus konstruktivistischer Perspektive demnach eher einen Set von Regeln zur Generierung sozialer Formen als einen "Themenvorrat" (Luhmann) dar.

--> Die Semantik der Geschlechter verwirklicht einen kulturellen Vorrat an Formen und ermöglicht die Kommunikation geschlechtstypisierter Erwartungshorizonte. Sie basiert auf der dichotomen Unterscheidung von Mann/Frau, die mit einer Fülle von anderen Unterscheidungen gekoppelt ist. So bündelt die Unterscheidung Mann/Frau dichotome Gegensätze wie rational/emotional, hell/dunkel oder mental/materiell. Als basaler kultureller Eckwert wird die Unterscheidung der Geschlechter ab dem 18. Jahrhundert mit der Ontologisierung bzw. Naturalisierung von Geschlechtscharakteren gekoppelt. Als Semantik natürlicher Ungleichheit wird sie auch für die Interpretation von Kommunikationen im Rahmen der Funktionssysteme Wirtschaft, Familie, Bildung etc. eingesetzt.

© Sibylle Moser & proddiff (Stand: 10.9.2003)

Siehe auch: Differenzierung, funktionale (ST)

Literaturhinweise
•  Luhmann, Niklas (1984): Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie [kommentiert (ST)].
•  Pasero, Ursula (1994): "Geschlechterforschung revisited: konstruktivistische und systemtheoretische Perspektiven [kommentiert (ST)]".
•  Pasero, Ursula (1995): "Dethematisierung von Geschlecht [kommentiert (ST)]".
•  Pasero, Ursula (1997): "Kommunikation von Geschlecht – stereotype Wirkungen: Zu sozialen Semantik von Geld und Geschlecht [kommentiert (ST)]".
•  Schmidt, Siegfried J. (1992): "Medien, Kultur: Medienkultur. Ein konstruktivistisches Gesprächsangebot".

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