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DekonstruktionSystemtheorie / Radikaler Konstruktivismus



Wahrnehmung (ST/RK)

Vertreter des Radikalen Konstruktivismus beschreiben Wahrnehmung als aktiven Prozess, der von strukturellen Bedingungen bestimmt wird. Roth betont, dass Wahrnehmung die Interaktion von Lebewesen mit ihrer Umwelt ermöglicht. Wahrnehmungen bilden Umwelten nicht ab, sondern definieren mögliche Interaktionsräume. Die notwendige Selektivität der Wahrnehmung ist durch Strukturen auf biologischer, kognitiver und sozialer Ebene bestimmt.

Die Strukturdeterminiertheit der Wahrnehmung bettet diese in ein Gesamtgefüge von Gefühlen, Handlungen und Kommunikationen ein. Sinnesempfindungen werden im Rahmen von historischen Erfahrungskontexten interpretiert, das Gedächtnis ist "das wichtigste Sinnesorgan" des Menschen (Roth).

Radikalkonstruktivistische Argumentationen weisen Parallelen zur Gestalttheorie auf und greifen immer wieder auf diese zurück. Die Einpassung von Umweltimpulsen bzw. 'Reizen' in Wahrnehmungsstrukturen wie kognitiven Schemata ermöglicht ein Erkennen durch Differenz bzw. Vergleich und folgt zum Beispiel der Unterscheidung Figur/Grund. Wahrnehmung ist immer Wahrnehmung "von etwas als etwas" und weist eine prädikative Struktur auf.

Schmidt weist darauf hin, dass Wahrnehmungen Beobachtungen erster Ordnung sind, insofern sie die durch sie unterschiedenen Sachverhalte für "wahr" nehmen. Luhmann definiert Wahrnehmung als die genuine Fähigkeit des Bewusstseins. Im sozialen Bereich, der sich durch Reflexivität auszeichnet, ist die Wahrnehmung des Wahrgenommenwerdens von entscheidender Bedeutung.

--> Historische Forschungen wie Laqueurs Entdeckung des Ein-Körper-Modells belegen die Kontingenz der Wahrnehmung der Geschlechter. Geschlechtsstereotype sind Wahrnehmungsstrukturen, die als Schemata die Fülle von sinnlichen, kognitiven und sozialen Eindrücken zu einfachen Situationen und Verhaltensweisen typisieren. Die Wahrnehmung von Geschlecht vollzieht eine Vielzahl von differenzierenden Unterscheidungen und ermöglicht das Handeln in geschlechtstypisierten Umwelten. Sie entspricht einer Vereinfachung bzw. "Trivialisierung" (v. Foerster) von Körpern, Personen und Interaktionen.

© Sibylle Moser & proddiff (Stand: 10.9.2003)

Siehe auch: Kognition (ST/RK); Repräsentation (RK); Wissen (ST/RK)

Literaturhinweise
•  Bem, Sandra Lipsitz (1993): The Lenses of Gender. Transforming the Debate on Sexual Inequality.
•  Glasersfeld, Ernst von (1997): Radikaler Konstruktivismus: Ideen, Ergebnisse, Probleme [kommentiert (RK)].
•  Pasero, Ursula / Braun, Friederike (Hg.) (1999): Wahrnehmung und Herstellung von Geschlecht. Perceiving and Performing Gender.
•  Roth, Gerhard (1992): "Kognition: die Entstehung von Bedeutung im Gehirn [kommentiert (RK)]".
•  Stadler, Michael / Kruse, Peter (1990): "Über Wirklichkeitskriterien [kommentiert (RK)]".

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