|
|
SYSTEMTHEORIE UND GESCHLECHTERFORSCHUNG Eine kommentierte Bibliografie LUTZ OHLENDIECK, Kiel
Was leistet Luhmanns Systemtheorie für das Verständnis der modernen Gesellschaft? Wie muss eine Theorie 'designed' sein, welche die Phänomene der Moderne adäquat beschreiben und erklären kann? Sie muss meiner Ansicht nach wesentlich der Unterscheidung von 'Weltgesellschaft - Organisation - Lebenswelt' folgen und auf die Ebene der Organisation fokussieren. Zentrales Problem: Inklusion/Exklusion - alle anderen Unterscheidungen sind Nebenschauplätze oder Folgeprobleme dieser zentralen Beobachtungskateorie! Inklusion/Exklusion laufen, immer temporär, nur über die Ebene der Organisation! Individualisierungsprozesse erfolgen durch 'systematische' Exklusion und eigenselektive Inklusion! Individualisierungsgewinne resultieren paradoxerweise (?) aus Inklusionsverlusten!
Die Moderne und ihre Folgen für das Geschlechterverhältnis Die Weltgesellschaft stellt mit ihren Funktionssystemen den formalen Rahmen für die gesellschaftsrelevanten Funktionen bereit. Die personale Integration erfolgt jedoch nicht über die Funktionssysteme und auch nicht in 'lebensweltlichen' Interaktionssystemen, sondern zentral über Organisationen. Den reinen Interaktionstheorien gelingt es nicht, über das Niveau der Lebenswelt hinaus erklärungsfähig zu sein. Doch die Probleme der Moderne lassen sich nicht in den Interaktionssystemen der Lebenswelt lösen, sondern nur über die Inklusions-/Exklusions-Modi der Organisationen. Der zentrale Baustein einer adäquaten Theorie der Moderne ist nicht eine Theorie der Lebenswelt, auch nicht eine Theorie der Weltgesellschaft, auch nicht ihre Synthese im Sinne eines 'global denken, lokal handeln', sondern eine systemisch orientierte Organisationssoziologie. Diese ist damit auch nicht länger als eine 'Bindestrich-Soziologie' zu vernachlässigen, sondern sie rückt als Nukleus ins Zentrum der allgemeinen Soziologie. Auch eine moderne Gendertheorie muss sich mit diesem Tatbestand auseinandersetzen. Sie muss Wege der angemessenen theoretischen Reflexion suchen, um angemessene Beschreibungen liefern zu können, die als Grundlage für relevante und leistungsfähige empirische Genderforschungen dienen können. Erste Anhaltspunkte, für eine systemtheoretische Fundierung des modernen Geschlechterverhältnisses liefern die vorgestellten Texte von Bettina Heintz, Christine Weinbach und Rudolf Stichweh sowie die Arbeiten von Ursula Pasero. |