Logo

profil______

texte______

glossar______

bibliografie______

service______
  


DekonstruktionSystemtheorie / Radikaler Konstruktivismus



Siehe auch: Différance (D); Referenz (D)

Autopoiesis (ST/RK)

Autopoiesis oder Autopoiese bedeutet auf griechisch "Selbstschöpfung". Autopoietische Systeme sind Netzwerke von rekursiv vernetzten Komponenten, die sich selbst und damit das Netzwerk als begrenzte Einheit bzw. Organisation in einem physikalischen Raum, dem Medium, reproduzieren.

Autopoietische Systeme haben keinen Ursprung und verfolgen kein telos. Die Zelle als Einheit setzt paradoxerweise das Netzwerk von Zellen voraus, das sie erzeugt. Der Begriff der Autopoiesis wurde von Maturana und Varela exklusiv für die Bestimmung von lebenden Systemen eingeführt und charakterisiert diese als selbsterhaltend bzw. regenerativ. Autopoietische Systeme interpretieren Störungen ("Perturbationen") gemäß ihrer eigenen Strukturen. Sie sind zwar energetisch für ihre Umwelten offen, erzeugen relevante Informationen aber nur gemäß interner Interpretationsmechanismen. Aufgrund ihrer operationalen Geschlossenheit sind autopoietische Systeme deshalb autonom und können nicht deterministisch von außen gesteuert werden.

Im Rahmen von Luhmanns Systemtheorie avanciert der Begriff der Autopoiese zum Überbegriff für lebende, psychische und soziale Systeme, was teminologische und theoretische Probleme aufwirft. Unproblematisch ist es jedoch, das Merkmal der Autonomie, das mit den Merkmalen der Selbstreferenz und der operationalen Geschlossenheit autopoietischer Systeme korrespondiert, an sozialen und psychischen Systemen zu beobachten.

--> Für die Beobachtung der Geschlechterdifferenz ist entscheidend, dass der Begriff der Autopoiesis von Maturana und Varela den Begriff des Lebens explizit von dem Kriterium sexueller Reproduktion loslöst. Lebende Systeme sind regenerativ, aber nicht notwendig reproduktiv. Lebende Systeme beschreiben Verhaltenspielräume, die ihre Autopoiese verwirklichen und zeichnen sich insbesondere beim Menschen durch eine enorme Plastizität aus. Entsprechend legen unterschiedliche reproduktive Möglichkeiten keine eindeutigen Verhaltensweisen fest. Geschlechterdifferenzen erscheinen in Bereichen wechselseitiger Koorientierung als genuin soziale Unterscheidungsformen, deren Funktionen und Semantiken nicht auf biologische Unterscheidungen reduzierbar sind. In der systemtheoretischen Geschlechterforschung kennzeichnet die Ausdehnung des Autopoiesisbegriffs die Eigendynamik und Strukturdeterminiertheit von Geschlechtskonstruktionen in rekursiven Prozessen der Kommunikation.

© Sibylle Moser & proddiff (Stand: 10.9.2003)

Siehe auch: System/Umwelt (ST/RK); Evolution (ST/RK); Selbst-/Fremdreferenz (ST)

Literaturhinweise
•  Hejl, Peter M. (1990): "Soziale Systeme: Körper ohne Gehirne oder Gehirne ohne Körper? Rezeptionsprobleme der Theorie autopoietischer Systeme in den Sozialwissenschaften [kommentiert (ST), kommentiert (RK)]".
•  Kieserling, André (1995): "Konstruktion als interdisziplinärer Begriff. Zum Theorieprogramm der Geschlechterforschung [kommentiert (ST)]".
•  Luhmann, Niklas (1987): "Autopoiesis als soziologischer Begriff".
•  Maturana, Humberto R. (1987): "Kognition [kommentiert (RK)]".
•  Varela, Francisco J. (1987): "Autonomie und Autopoiese [kommentiert (RK)]".

Bibliografie zum Glossareintrag

Externe Links
•  Maturana, H. R. / Verden-Zöller, G. (1996), "Biology of Love" (Online-Artikel)
•  Encyclopaedia Autopoietica: "Autopoiesis"



home __ profil __ texte __ glossar __ bibliografie __ service

© 2024 produktive differenzen | impressum und kontakt | website: datadive