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DekonstruktionSystemtheorie / Radikaler Konstruktivismus

Referenz (D)

Referenz bezeichnet üblicherweise die Beziehung zwischen dem Zeichen und dem bezeichneten Objekt. Im Unterschied zur strukturalistischen Sprachtheorie im Anschluss an Saussure, die den Referenten aus ihrer Betrachtung ausschließt, führt die Sprechakttheorie den Referenten mit verändertem Status wieder in die Sprachwissenschaft ein. Während sich die konstative Aussage auf einen außersprachlichen Referenten bezieht und folglich im Sinn einer Korrespondenz zwischen Aussage und (außersprachlicher) Realität wahr oder falsch sein kann, bringt das Performativum seinen Referenten, der nun kein Referent im klassischen Sinne mehr ist, selbst hervor. In diesem Sinne ist die performative Äußerung selbstreferentiell, da sie sich auf eine (diskursive) Realität bezieht, die von ihr selbst konstituiert wird, die sie aber niemals vollständig erschöpft, da sie zugleich eine Handlung ist, die die Sprechaktsituation modifiziert und verwandelt.

--> Das Problem der Referentialität wird für den 'dekonstruktiven Feminismus' in de Mans Konzeption der Figur der Prosopopöie als Figur der Verleihung von (geschlechtlich markierter) Stimme und Gesicht zentral. Die Prosopopöie verweist auf keinen Referenten, sie teilt (selbstreferentiell) die Verleihung einer Figur/eines geschlechtlich markierten Gesichts mit, das ursprünglich fehlt. De Man spricht hinsichtlich autobiographischer Selbstkonstituierung auch von dem Phänomen referentieller Produktivität. Er bezweifelt, ob überhaupt von einem (außersprachlichen) Referenten gesprochen werden kann, da niemals eindeutig festzustellen ist, ob der so genannte Referent die 'Figur' bestimmt, oder ob nicht umgekehrt eine Fiktion einen Grad von referentieller Produktivität erreicht. Für die Frage der Geschlechtsdifferenz heißt das, dass keine Referenz zu einem vorsprachlichem Körper möglich ist, die nicht zugleich diesen Körper formiert und als 'außersprachliches' Referenzobjekt vergeschlechtlicht und konstituiert.

© Gerald Posselt & Anna Babka (Stand 15.4.04)

Siehe auch: Zeichen (D); Sprache (D); Performativität (D); Aporie (D); Kontext (D)

Literaturhinweise
•  Benveniste, Émile (1974): "Die analytische Philosophie und die Sprache [kommentiert (D)]".
•  de Man, Paul (1979): "Rhetoric of Persuasion (Nietzsche) [kommentiert (D)]".
•  de Man, Paul (1984): "Autobiography as De-facement [kommentiert (D)]".
•  Menke, Bettine (1992): "Verstellt – der Ort der 'Frau' [kommentiert (D)]".

Bibliografie zum Glossareintrag

Selbst-/Fremdreferenz (ST)

Selbstreferenz ist die Voraussetzung für Beobachtung. Selbstreferenzielle Systeme beziehen ihre Operationen auf ihre eigenen Operationen und legen dadurch mögliche Umweltkontakte fest. Selbstreferenz ist in diesem Sinn ein Merkmal autopoietischer Systeme und korrespondiert mit dem Begriff der Strukturderminiertheit bei Maturana und Varela. Die selbstreferenzielle Bezeichnung einer Operation 'als et-was' führt zur Autonomie eines Systems bei der Interpretation von Umweltimpulsen.

Fremdreferenz entspricht der Beschreibung der Umwelt durch das System. Im Rahmen von Luhmanns Systemtheorie lassen sich drei Formen der Selbstreferenz unterscheiden: basale Selbstreferenz bezeichnet die relationale Definition von Elementen in einem System; Reflexivität kennzeichnet die zeitgebundene Bezugnahme auf Prozesse; Reflexion legt eine Innen- und Außenseite fest und resultiert aus der Unterscheidung von System und Umwelt. Selbstreferenzielle Operationen führen potenziell zu Paradoxien.

--> Die Selbstreferenz des Geschlechts ist als Rekurs auf eine Differenz und deshalb als Re-entry der soziokulturellen Unterscheidung der Geschlechter beobachtbar. Einerseits werden Selbst-Konzepte geschlechtsspezifisch selektiert, andererseits werden soziale Differenzen entlang der Geschlechterdifferenz prozessiert. Geschlechtstypisierte Selbstreferenz kann als doppelte Zuschreibung von AkteurIn-nen als Handelnde erfolgen ('weibliches Subjekt') oder als Reflexion auf gesellschaftliche Organisation (z.B. Thematisierung der Familie im Rahmen feministischer Bewegungen) sowie als Reflexivität von sozialen Prozessen (Beobachtung mithilfe des theoretischen Konzepts des Doing Gender).

Fremdreferenz liegt vor, wenn die Geschlechterdifferenz der natürlichen oder gesellschaftlichen Umwelt zugeschrieben wird, was einer Naturalisierung oder auch der Soziologisierung des Begriffs Sex entspricht.

© Sibylle Moser & proddiff (Stand: 10.9.2003)

Siehe auch: Beobachtung (ST/RK); Re-entry (ST)

Literaturhinweise
•  Jensen, Stefan (1994): "Im Kerngehäuse".
•  Luhmann, Niklas (1984): Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie [kommentiert (ST)].
•  Luhmann, Niklas (1988): "Frauen, Männer und George Spencer Brown [kommentiert (ST)]".
•  Rokisch, Rodrigo (2001): "Wie ist Geschlecht möglich? Zur Beobachtung von 'Sexualität' und 'Geschlecht'".

Bibliografie zum Glossareintrag




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