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DekonstruktionSystemtheorie / Radikaler Konstruktivismus

Aporie (D)

Die Aporie (gr. aporia: Mangel an Wegen, Ratlosigkeit, Ausweglosigkeit) bezeichnet allgemein die Unmöglichkeit, ein Problem zu lösen oder im engeren Sinne die Unmöglichkeit, die Bedeutungen von Texten und sprachlichen Äußerungen eindeutig zu fixieren. Sowohl bei de Man als auch bei Derrida ist in diesem Zusammenhang sehr oft auch von Unentscheidbarkeit die Rede. Jede Lektüre produziert einen irreduziblen Überschuss an Bedeutungen, der innerhalb logischer Regeln nicht gelöst werden kann. Dabei wird dieses aporetische Moment keineswegs negativ bewertet, sondern als affirmativ und bedeutungsgenerierend hervorgehoben. Aporien verlangen, so Derrida, ein Aushalten, eine Erfahrung, die nicht in Ablehnung oder Widerstand besteht. Ohne Aporie gibt es keine Entscheidung, Verantwortung, Ethik oder Politik (Kimmerle). Dabei ist das Unentscheidbare nach Derrida nicht einfach das Schwanken zwischen zwei Entscheidungen, sondern die Erfahrung dessen, was sich jeder Regel, jeder Berechnung und rationalen Kalkulation entzieht.

--> In der poststrukturalistischen feministischen Theorie wird die Evidenz sexueller Differenz grundlegend in Frage gesetellt und als aporetisch ausgewiesen. D.h., dass nicht mehr definiert werden kann, was Frau bzw. Mann ist. Dekonstruktive Ansätze thematisieren den "blinden Fleck" des differenzgeleiteten Feminismus hinsichtlich der mangelnden Reflexion des Subjekts und Objekts der feministischen Rede (Menke). Auch Judith Butler pointiert die aporetische Lokalisierung der Frau innerhalb phallogozentristischer Strukturen. Die Frau ist, so Butler, über universale Binarismen nicht verortbar, ist weder das eine noch das andere, sondern die permanente und unveränderbare Bedingung von beidem.

© Anna Babka & proddiff (Stand: 6.10.03)

Siehe auch: Sprache (D); Text (D); Lektüre (D); Binarität (D)

Literaturhinweise
•  de Man, Paul (1979): "Rhetoric of Persuasion (Nietzsche) [kommentiert (D)]".
•  de Man, Paul (1979): "Rhetoric of Tropes (Nietzsche) [kommentiert (D)]".
•  de Man, Paul (1979): "Semiology and Rhetoric [kommentiert (D)]".
•  Menke, Bettine (1992): "Verstellt – der Ort der 'Frau' [kommentiert (D)]".

Bibliografie zum Glossareintrag

Re-entry (ST)

Im Rahmen der Differenzlogik George Spencer Browns bezeichnet Re-entry den Wiedereintritt einer Unterscheidung in sich selbst. Jedes Re-entry verwirklicht die Selbstbeobachtung eines Systems. So kann die Unterscheidung System/Umwelt im System unterschieden werden und damit dessen Grenze reflektieren. Da die Beobachtung als Unterscheidung mit der Markierung einer Seite einhergeht, entspricht das Re-entry einer Form, die als markierte Negation bzw. als Reflexionswert entsteht.

Jedes Re-entry führt die Gleichzeitigkeit der Unterscheidung als Beobachtung/Operation und als beobachteter/markierter Gegenstand durch. Als Unterscheidung einer Unterscheidung ist das Re-entry deshalb mit Paradoxien bzw. mit Unentscheidbarkeiten in selbstreferenziellen Systemen befasst.

--> Die feministische bzw. gendertheoretische Beobachtung der Geschlechterdifferenz führt als Unterscheidung einer Unterscheidung zu Paradoxien. So findet die Unterscheidung Mann/Frau im Rahmen feministischer Reflexionen als Einheit der Differenz zwischen den Geschlechtern und der (vermeintlichen) Gleichheit der Frauen ihre Form.

© Sibylle Moser & proddiff (Stand: 10.9.2003)

Siehe auch: Beobachtung (ST/RK); Selbst-/Fremdreferenz (ST)

Literaturhinweise
•  Esposito, Elena (1991): "Paradoxien als Unterscheidungen von Unterscheidungen".
•  Foerster, Heinz von (1993): "Die Gesetze der Form [kommentiert (RK)]".
•  Luhmann, Niklas (1988): "Frauen, Männer und George Spencer Brown [kommentiert (ST)]".
•  Luhmann, Niklas (1990): Die Wissenschaft der Gesellschaft [kommentiert (ST)].
•  Scott, Joan W. (1995): "Verstörende Spektakel des Paradoxen".

Bibliografie zum Glossareintrag




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