Logo

profil______

texte______

glossar______

bibliografie______

service______
  


DekonstruktionSystemtheorie / Radikaler Konstruktivismus

Metalepse (D)

Die Metalepse (gr. metálêpsis: Tausch, Wechsel) - im engeren Sinne ein rhetorischer Tropus, der die Umkehrung von Vorher und Nachher, Ursache und Wirkung beschreibt (z.B. "Goethe lesen" statt "Ein Buch von Goethe lesen") - avanciert im Anschluss an Paul de Mans Nietzsche-Lektüre zu einer dekonstruktiven Denkfigur, die darauf abzielt, das als Effekt aufzuweisen, was als Ursache vorausgesetzt werden muss. Auf diese Weise entlarvt Nietzsche - in der Lesart de Mans - die Kategorien der Identität, des Subjektsund des Täters als die Effekte einer rhetorischen Figuration, einer chronologischen oder metaleptischen Umkehrung, die das erst hervorbringt, was sie als ihren Grund voraussetzen muss. Nietzsche weist damit den metaphysischen Glaubenssatz zurück, dass hinter jedem Tun auch ein Täter stehen müsse, hinter jedem Wirken und Werden ein indifferentes wahlfreies Subjekt.

--> Butlers Konzeption der Genealogie als einer kritischen Analysemethode rekurriert - im Anschluss an Nietzsche und de Man - dezidiert auf die Metalepse als eine dekonstruktive Denkfigur. Ihre genealogische Kritik der sex-gender-Unterscheidung bezieht sich 1. auf die Beschreibung des Körpers als eine der Kultur vorgängige, die Bezeichnung erwartende Figur, 2. auf die Konstruktion des Geschlechts als Binarität, 3. auf die Annahme einer primären Bisexualität, 4. auf die Konstruktion von Sex(ualität) als vordiskursiver Gegebenheit und 5. auf das epistemologische Paradigma, das die Priorität des Täters vor der Tat unterstellt und somit ein universales Subjekt errichtet. All diesen Annahmen ist nach Butler gemeinsam, dass sie auf einer metaleptischen Fehlbeschreibung basieren, d.h., dass es sich um Beschreibungen handelt, die von einer Wirkung notwendig auf eine 'dahinterliegende' Ursache schließen oder diese vielmehr performativ (voraus-)setzen. In späteren Texten argumentiert Butler darüber hinaus, dass die Iterabilität oder Zitathaftigkeit, die jedes Performativum konstituiert, selbst wiederum als eine metaleptische Operation verstanden werden kann, bei der das Subjekt, das das Performativ zitiert, temporär, als nachträglicher und fiktiver Ursprung des Performativums hervorgebracht wird.

© Gerald Posselt (Stand 6.10.03)

Siehe auch: Rhetorik (D); Performativität (D); Genealogie (D); Identität (D); Subjekt (D); Iterabilität (D)

Literaturhinweise
•  Butler, Judith (1990): Gender Trouble. Feminism and the Subversion of Identity [kommentiert (D)].
•  de Man, Paul (1979): "Rhetoric of Tropes (Nietzsche) [kommentiert (D)]".
•  Nietzsche, Friedrich (1988): Zur Genealogie der Moral. Eine Streitschrift [kommentiert (D)].

Bibliografie zum Glossareintrag



Siehe auch: Kopplung, strukturelle (ST/RK); Selbst-/Fremdreferenz (ST); Rekursion (RK)




home __ profil __ texte __ glossar __ bibliografie __ service

© 2024 produktive differenzen | impressum und kontakt | website: datadive