| Mediensystem (RK)Schmidt geht von der strukturellen Kopplung von Kognition und Kommunikation durch Mediensysteme aus. Die Vorstellung der strukturellen Kopplung betont den wirklichkeitserzeugenden Effekt medialer Entwicklungen. Mediensysteme bzw. Medien ermöglichen die Selektion von Sinnofferten in kognitiven und sozialen Systemen. Sie umfassen Kommunikationsinstrumente, Medientechnologien, Medienangebote und Medieninstitutionen, die alle vier in einer selbstorganisierten Wechselbeziehung stehen.
Kommunikationsinstrumente wie etwa Sprache oder Schrift ermöglichen die strukturelle Kopplung von Kognition und Kommunikation. Sie habitualisieren materiale Gegebenheiten zu Zeichen, die in kognitiven und sozialen Systemen Sinnkonstruktionen auslösen und damit deren Koorientierung verwirklichen. Kommunikationsinstrumente dienen der Herstellung von Medienangeboten wie etwa Texten.
Medientechnologien differenzieren kommunikative Mittel aus, indem sie ihre Herstellung und Handhabung an spezifische kognitive und kommunikative Kompetenzen koppeln. Die Durchsetzung eines Kommunikationsinstruments hängt wesentlich von seiner sozialen Organisation ab. Mediale Institutionen wie Rundfunkanstalten bestimmen strukturell die Produktion, Distribution, Rezeption und Verarbeitung von Medienangeboten.
Die Interdependenz von Medientechnologie und Medieninstitutionen verdeutlicht, dass mediale Möglichkeiten Prozesse gesellschaftlicher Differenzierungen realisieren. Mediensysteme ermöglichen die Wahrnehmung und die Kommunikation der Wirklichkeitsmodelle einer Gesellschaft und realisieren Formen der Vergesellschaftung bzw. der Selbstsozialisation. Sie stecken thematische Räume ab, stellen Öffentlichkeiten her, definieren Referenzmodalitäten wie Fiktion und Realität und bieten Lebensentwürfe und Befindlichkeitsmuster an.
--> Wie die Vielfalt kulturwissenschaftlicher Analysen des Geschlechterverhältnisses zeigen, prägt die Wahl von Medien die Möglichkeiten und Interpretationen der Darstellung ebenso wie die Semantik der Geschlechter. Die Wahrnehmung und Kommunikation der Geschlechterdifferenz hängt entscheidend von Mediensystemen ab.
Auf sozialstruktureller Ebene lässt sich die Exklusion von Frauen zum Beispiel an ihrem Anteil am weltweiten Analphabetismus ablesen, der sich in Industriegesellschaften als Computeranalphabetismus fortsetzt. Ebenso geht die Inklusion von Frauen in spezifische Funktionssysteme mit der geschlechtsspezifischen Interpretation der Zugangsmöglichkeiten zu Medien einher. Frauen sind seit dem 18. Jahrhundert das 'lesende Geschlecht' und haben im Rahmen der bürgerlichen Gesellschaft und innerhalb feministischer Bewegungen die Schrift als Medium gesellschaftlicher Reflexion genutzt.
© Sibylle Moser & proddiff (Stand: 10.9.2003)
Siehe auch: Kommunikation (D); Medienschema (RK); Schrift (D); Sprache (D); Form/Medium (ST)
Literaturhinweise Klaus, Elisbeth / Röser, Jutta / Wischermann, Ulla (2001): "Kommunikationswissenschaft und Genderstudies. Anmerkungen zu einer offenen Zweierbeziehung". Merten, Klaus (1994): "Evolution der Medien". Schmidt, Siegfried J. (1992): "Medien, Kultur: Medienkultur. Ein konstruktivistisches Gesprächsangebot". Schmidt, Siegfried J. (2000): Kalte Faszination. Medien, Kultur, Wissenschaft in der Mediengesellschaft.
Bibliografie zum Glossareintrag
|
|