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DekonstruktionSystemtheorie / Radikaler Konstruktivismus

Kommunikation (D)

Kommunikation ist kein spezifischer Terminus dekonstruktiver oder poststrukturalistischer Theoriebildung; vielmehr dient er der Abgrenzung und der Differenzierung. Bei Derrida ist der Begriff der Kommunikation eng verknüpft mit seinem Schriftbegriff. Weder ist Kommunikation die Übermittlung, der Transport, der Austausch von Sinn und Intentionen, noch ist die Schrift ein supplementäres Kommunikationsmittel unter anderen, dessen Funktion darin besteht, das Feld der mündlichen oder gestischen Kommunikation zu erweitern. Vielmehr postuliert Derrida die allgemeine graphematische Struktur jeder 'Kommunikation', d.h. die irreduzible Abwesenheit der Intention (différance), den Bruch mit dem Kontext kraft der wesentlichen Iterabilität des sprachlichen Zeichens und die Möglichkeit, es in andere sprachliche Syntagmen einzuschreiben - was eine nicht reduzierbare Polysemie, die Derrida dissémination nennt, zur Folge hat.

Dies gilt auch für die Sprechakttheorie. Obgleich Austin Kommunikation nicht mehr als die Übertragung oder den Transport von Bedeutungsinhalten versteht, sondern als ein Tun, Handeln oder Wirken, das eine Situation hervorbringt und transformiert, wird doch Kommunikation immer noch als Kommunikation eines intentionalen Sinns aufgefasst, auch wenn dieser Sinn keinen Referenten mehr im klassischen Sinne hat. Dem Begriff Kommunikation stellt Derrida das Motiv der Postkarte und der Sendung gegenüber, die verlorengehen, fehlgehen oder Personen erreichen und Bedeutungen erzeugen können, für die sie nicht bestimmt waren.

© Gerald Posselt (Stand 6.10.03)

Siehe auch: Sprache (D); Schrift (D); Zeichen (D); Iterabilität (D)

Literaturhinweise
•  Austin, John L. (1975): How to Do Things with Words [kommentiert (D)].
•  Derrida, Jacques (1982): Die Postkarte von Sokrates bis an Freud und jenseits. 1. Lieferung: Envois.
•  Derrida, Jacques (1988): "Signatur Ereignis Kontext [kommentiert (D)]".
•  Krämer, Sybille (2001): Sprache, Sprechakt, Kommunikation. Sprachtheoretische Positionen der Gegenwart.

Bibliografie zum Glossareintrag

Kommunikation (ST/RK)

Maturana und Varela setzen den Begriff der Kommunikation mit dem des sozialen Verhaltens gleich und definieren ihn als das "gegenseitige Auslösen von koordinierten Verhaltensweisen unter den Mitgliedern einer sozialen Einheit", welches in der Beobachtung semantisch beschrieben wird. Köck kritisiert diese Ausweitung des Kommunikationsbegriffs auf Interaktion und bestimmt Kommunikation stattdessen als "Bezeichnung einer Klasse spezifischer intentionaler Interaktionen zwischen Lebewesen […], jener Interaktionen nämlich, die vermittelt, über Medien, also mit Hilfe von Zeichen ablaufen."

Luhmann knüpft an Maturanas Bestimmung an und definiert Kommunikationen als Letztelemente sozialer Systeme. Kommunikation setzt operational geschlossene kognitive Systeme voraus, die einander intransparent sind. Kommunikation tauscht nicht Informationen aus, sondern gibt wechselseitig Anlass zu systeminternen Kon-struktionen. Jede Kommunikation läuft unter den Bedingungen der doppelten Kontingenz ab und verwirklicht die dreiteilige Selektion von Mitteilung, Information und Verstehen. Reflexivität in der Wahrnehmung ist eine entscheidende Voraussetzung für Kommunikation. Jede kommunikative Selektion verwirklicht verschiedene Sinnvarianten in der Sach-, Zeit- und Sozialdimension. Ein spezifischer Sachverhalt wird in einem Zeithorizont im Rahmen spezifischer sozialer Konstellationen mitgeteilt. Schmidt weist darauf hin, dass Luhmanns Fokus auf die autopoietische Organisation der Kommunikation die kognitiven und gesellschaftsstrukturellen Bedingungen dieser unterbelichtet lässt.

--> Die Kommunikation der Geschlechterdifferenz wird als spezifische Selektion von Mitteilung, Information und Verstehen verwirklicht und weist diese als soziales 'Oberflächenphänomen' aus. AkteurInnen verwirklichen geschlechtsspezifische Kommunikationsstile, kodieren Sachverhalte im Rahmen einer Semantik der Geschlechter und verhalten sich in kommunikativen Situationen gemäß geschlechtstypisierter Rollen. Geschlechtstypisierte Kommunikation ist an die Wahrnehmung der Anwesenden gebunden und findet bevorzugt in Interaktionen statt. Die Kommunikation der Geschlechter variiert mit der gesellschaftlichen Organisation und beeinflusst diese maßgeblich. So wirken sich etwa Kommunikationstechnologien entscheidend auf die Wahrnehmung und Konstruktion von Geschlecht aus.

© Sibylle Moser & proddiff (Stand: 10.9.2003)

Siehe auch: Handlung (ST/RK); Mediensystem (RK); Sinn (ST)

Literaturhinweise
•  Köck, Wolfram K. (1987): "Kognition-Semantik-Kommunikation [kommentiert (RK)]".
•  Maturana, Humberto R. (1987): "Biologie der Sozialität [kommentiert (RK)]".
•  Pasero, Ursula (1997): "Kommunikation von Geschlecht – stereotype Wirkungen: Zu sozialen Semantik von Geld und Geschlecht [kommentiert (ST)]".
•  Schmidt, Siegfried J. (1994): Kognitive Autonomie und soziale Orientierung. Konstruktivistische Bemerkungen zum Zusammenhang von Kognition, Kommunikation, Medien und Kultur.
•  West, Candance / Zimmermann, Don H. (1987): "Doing Gender".

Bibliografie zum Glossareintrag




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